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Schwing die Hufe! Wanderreiten 22 Reiterhöfe bieten sich in Unterfranken als Ausgangspunkte für Wanderungen mit Pferd an. Nicht immer muss man sein eigenes Tier mitbringen. Wir waren ein Wochenende auf der Fränkischen Platte unterwegs.

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Schwing die Hufe!

22 Reiterhöfe bieten sich in Unterfranken als Ausgangspunkte für Wanderungen mit Pferd an. Nicht immer muss man sein eigenes Tier mitbringen. Wir waren ein Wochenende auf der Fränkischen Platte unterwegs.

 

Von unserem Redaktionsmitglied Ivo Knahn26.09.2011 

Foto: Fotos: | Aufmerksam über die Fränkische Platte: Beim Wanderreiten entscheidet der Reiter, wann er läuft und wann er laufen lässt. Ivo Knahn

 

Das Wandern sollte man den Pferden überlassen – die haben mehr Beine. Ja, man könnte meinen, Wanderreiten wäre etwas für faule Menschen. Für diejenigen, die gerne den ganzen Tag in der Natur unterwegs sind, sich aber selbst nicht wirklich anstrengen wollen. Die Wahrheit sieht anders aus: Wer es nicht gewohnt ist, wird spätestens am zweiten Tag im Sattel dankbar sein, wenn er die eigenen Hufe schwingen kann.

Das erste Mal steigen wir nach etwa einer Stunde vom Pferd. Hinter uns liegen die ersten Kilometer durch das Naturschutzgebiet Ammerfeld bei Aschfeld im Landkreis Main-Spessart, vor uns ein steiler Hang hinab in den Ölgrund. Hier oben auf der Fränkischen Platte hat sich eine riesige Kalk-Trockenrasenfläche ausgebreitet. Orchideen, und Steppenheidegewächse finden hier optimale Bedingungen. Keine Schotterwege, der Boden ist erdig weich. Und er ist geschichtsträchtig, wie unter anderem der Flurname „Galgen“ verrät. Bäume mit ausladenden Ästen auf dem erhöht gelegenen Platz lassen kaum Zweifel daran, dass die Sage wahr ist, in der es heißt, hier seien einst die Bösewichte der Burg Homburg hingerichtet worden.

Die Homburg, zumindest ihre Ruine, ist unser Ziel. Immer wieder verlassen wir den offiziellen Wanderweg durch das Naturschutzgebiet und reiten auf schmalen Pfaden durch Wald und Wiesen. „Mit dem Pferd nimmt man eher Umwege in Kauf. Da kommt es auf einen Kilometer hin oder her nicht an“, sagt Alfred Döll. Über der Jeans trägt er Leder-Chaps, unter ihm tänzelt seine Stute, als ginge es ihr nicht schnell genug. Alfred Döll ist Anführer der vier Mann kleinen Kavallerie, die aus ihm, seinem Nachbarn Paul, mir und wechselweise meinen Söhnen Paul (10) und Til (8) besteht. Das Wanderreiten hat Alfred früher intensiv betrieben: „Freitags hab' ich Schlafsack und Brotzeit aufs Pferd gepackt und ab ging's in den Spessart oder in die Rhön.“

Auf dem Mühlenhof in Aschfeld züchtet er heute mit Frau Karin im Nebenerwerb Connemara-Ponys – die Rasse gilt als robust, vielseitig und gutmütig. Regelmäßig machen Wanderreiter bei Familie Döll Station. Die meisten sind auf der Durchreise während mehrtägiger Ritte und finden hier Quartier und Verpflegung für Pferd und Reiter. Der Preis? Den legt der Gast selbst fest.

22 Reiterhöfe in Unterfranken haben sich lose zusammengeschlossen (siehe Infokasten), um das Wandern mit Pferd auch im großen Rahmen zu ermöglichen. Wer bei Alfred Döll reiten möchte, muss für gewöhnlich seine eigenen Pferde mitbringen. Einige der anderen Höfe stellen ihren Gästen Pferde zur Verfügung und begleiten auch Reitanfänger auf Tages- oder Mehrtagesritten.

Alfred Döll ist ein hervorragender Begleiter, weil er scheinbar jeden Baum in der Umgebung kennt. „Ich bin Feldgeschworener, da kennt man sich schon aus“, sagt er, als wir auf der anderen Seite des Ölgrunds weiter reiten in Richtung Ruine Homburg. Die Pferde laufen im Schritt mit durchhängenden Zügeln durch ein Meer aus Margeriten. Immer wieder prustet eines der Tiere durch die Nüstern. In der Pferdesprache heißt das: „Ich fühle mich wohl.“

An der Ruine Homburg auf dem Rücken des Setzbergs öffnet sich der weite Blick ins Werntal und auf die Gemeinde Gössenheim. Ein Drachenflieger steht an der Kante des Bergs und wartet auf den perfekten Wind. Ein zweiter segelt – fast als könne man nach ihm greifen – über der Burg. Sein Schatten rauscht über den Boden. Die Pferde macht das nervös, doch im Inneren der Ruine mit über 1000-jähriger Geschichte grasen sie dann in aller Ruhe.

Wir nehmen die Feldwege vorbei an Karsbach nach Gössenheim, wo sich am Radweg Richtung Eußenheim der Besuch einer ausgefallenen privaten Ausstellung lohnen kann: „Marlenes Kaffeekannen-Sammlung“. Wir allerdings meiden die „Pferde-im-Porzellan-Laden“-Situation und reiten entlang der Wern zurück zum Mühlenhof.

Dort kündigt eine Stute die Geburt ihres Fohlens an: Aus dem Euter tropft die Vormilch. Für Alfred Döll bedeutet es eine unruhige Nacht. Er schläft im Stall, wir fühlen uns auf den Feldbetten im Reiterstübchen längst wie im „Urlaub auf dem Bauernhof“.

Das Fohlen blieb im Bauch. Am Sonntag um 10 Uhr sitzen wir wieder in den Sätteln. Ziel ist das Edelweiß bei Karlstadt. Auf dem Weg liegt das Naturdenkmal „Dicke Eiche“ auf Eußenheimer Gemarkung. Etwa 300 Jahre ist sie alt und als wir die Pferde unter ihr grasen lassen, fühlt sie sich womöglich an früher erinnert, als die Landwirte ihre Tiere zum Eichel-Fressen in den Wald trieben.

Am Edelweiß klagt mein Sohn das erste Mal über aufgeriebene Beine. Der Blick ins Maintal 150 Meter unter uns entschädigt. Der Maintalwanderweg ist hier ein verschlungener Pfad über Trockenrasen, durch Hecken und vereinzelte Bäume. Wir führen unsere Pferde auf dem Weg entlang der Abbruchkante. Die Tiere haben keinen Blick für die Aussicht, sie konzentrieren sich auf den Pfad mit Wurzeln und Steinen.

Am Sportflugplatz über Karlstadt spüren die Pferde, dass es nach Hause geht. Wir suchen keine offiziellen Wanderwege, sondern reiten frei Schnauze Richtung Eußenheim/Aschfeld, die tiefschwarze Wolke im Blick, die auf den letzten Kilometern immer näher kommt. Dafür hat auch Alfred Döll keine Lösung. Der Regenschauer erwischt uns auf den letzten Metern vor dem Mühlenhof.

Wir satteln ab und bringen die Pferde auf die Weide. Bei der Stute mit dem Fohlen im schießt die Milch mittlerweile aus dem Euter. „Komm Papa, wir gehen morgen einfach nicht in die Schule“, sagt mein Sohn Paul. Zu gerne hätte er die Geburt gesehen.

Die Stute hat es auch alleine geschafft. Das Fohlen kam in der Nacht zum Montag. Wir werden es besuchen – auch wenn es noch zu klein sein wird, um uns bei unserem nächsten Ritt zu begleiten.

Wanderreiten und die Kirchenburg Aschfeld

Beide vorgestellten Touren kann man selbstverständlich auch ohne Pferd wandern. Die Fränkische Platte hat ein gutes Netz mit offiziellen Wanderwegen. Eine Wanderkarte gibt es kostenlos bei der Gemeinde Eußenheim unter www.eussenheim.de

Wanderreiten in Unterfranken folgt keinen einheitlichen Regeln. 22 Reiterhöfe bieten Reitern und Pferden zwar Quartier und Verpflegung, die Angebote sind aber sehr unterschiedlich. Bei den meisten muss man das eigene Pferd mitbringen, einige bieten geführte Ritte an, wieder andere auch Reiterferien für Kinder. Ein Überblick: www.reiten-in-unterfranken.de

Die Kirchenburg in Aschfeld sollte besuchen, wer Ausflüge in die Vergangenheit mag. Die Gaden und Keller der ehemaligen Wehranlage rund um die Kirche sind ein liebevoll eingerichtetes dorfgeschichtliches Museum. Dorfschule, Heimatstube, Krämerladen und ein wunderschönes Wirtshaus mit Poststelle sind unter anderem zu sehen. Sehr unterhaltsam sind die Führungen mit Lore Göbel. Besichtigungen nur nach Anmeldung: Tel. (0 93 50) 379, E-Mail: goebel-lore@t-online.de

Alle Artikel zur Wanderserie sowie eine Bildergalerie: www.mainpost.de/wandern

| Kinderleicht: Paul am Edelweiß bei Karlstadt auf dem Maintalwanderweg.

| Ruine Homburg: Gras für die Pferde, Einkehrmöglichkeit beim „Schoppenfranz“.

| Der Weg ist das Ziel: im Naturschutzgebiet Ammerfeld bei Aschfeld.

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Wanderritt Impressionen

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